Höxter (red). Wenn Nawid mit dem Rollstuhl über den Flur der Kinderstation am St. Ansgar Krankenhaus der KHWE fährt, sind ihm die Strapazen der vergangenen Wochen kaum anzumerken. Ein offener Unterschenkelbruch bereitete dem Siebenjährigen aus Afghanistan monatelang starke Schmerzen, eine Blutvergiftung drohte. Mit Hilfe des Friedensdorfes International kommt Nawid schließlich nach Höxter, ohne seine Familie und mit nur wenig Gepäck.
Sein Schienbein war gebrochen, aus der offenen Wunde schaute ein Stück Knochen heraus. "Ohne sofortige medizinische Hilfe hätte Nawid möglicherweise keine lange Überlebenschance gehabt", sagt Frank Blömker, behandelnder Arzt und Chefarzt für Unfallchirurgie am St. Ansgar Krankenhaus Höxter. Doch auf medizinische Hilfe in seinem Heimatland hoffen, konnte der Junge nicht. Die Behandlung des gebrochenen Schienbeins war unumgänglich, etwa 15 Zentimeter Knochen mussten entfernt werden.
In den vergangenen Jahren behandelte Frank Blömker mehrere Kinder, die über das Friedensdorf International in Oberhausen vermittelt wurden. Die Organisation wurde 1967 als Bürgerinitiative gegründet, um den unschuldigsten Opfern aus Kriegs- und Krisengebieten zu helfen, und zwar durch schnelle und unbürokratische Hilfe. Sie benötigen medizinische Hilfe, die ihnen in ihren Heimatländern niemand gewähren kann. “Es ist immer nur medizinische Einzelfallhilfe, die wir leisten können. Aber was wir hier machen, ist richtig und wichtig. Das sehen wir, wenn wir anschließend Fotos von den Kindern aus ihrem Heimatland bekommen und feststellen, wie viel besser es ihnen geht”, sagt Blömker.
Die Operation verläuft bei Nawid ohne Komplikationen. "Er ist sehr tapfer und wir sind davon überzeugt, dass Nawid wieder gesund und keinerlei Spätfolgen haben wird", sagt Firooz Ahmadi, Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik am St. Ansgar Krankenhaus. Er kümmert sich mit seinem Team der Kinderklinik um die weitere Versorgung. Die Pflegekräfte umsorgen den Siebenjährigen. Kuscheltiere und Spielzeug lenken ihn vom Heimweh ab, denn Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern hat er keinen.
"Die Sprachbarriere macht es uns nicht immer einfach, aber wir verständigen uns mit Händen und Füßen. Das klappt immer", sagt Gabriele Moreau, Pflege-Teamleitung auf der Kinderstation. Auch für sie und ihre Kollegen ist es eine Herzensangelegenheit, sich um die kranken Kinder aus dem Ausland zu kümmern. Moreau: "Wir bauen eine intensive Bindung zu den Kindern auf. Wir lachen gemeinsam mit ihnen und müssen Tränen trocknen. Aber das Gefühl, den Kindern damit ein neues Leben zu schenken, ist unbeschreiblich",
Nur wenige Wochen später kann Nawid aus dem Krankenhaus entlassen werden und nach kurzer Zwischenstation im Friedensdorf International zurück nach Afghanistan fliegen. Chefarzt Frank Blömker: "Dort kann er dann schmerzfrei in ein neues Leben starten."
Foto: KHWE